Kritik zur Serie „Füxe“ im ZDF (Oktober 2023)

(Anm.: Dieser Beitrag unseres Corpsbruders erschien zuerst im Nachrichtenblatt „Der Alemanne“, November 2023 und wird hier nahezu ungekürzt wiedergegeben)

Der geübte Leser des Alemannen wundert sich jetzt sicher: „Warum ist hier so ein komischer Text und warum fasst er nicht auf generische Weise die Vorkommnisse des letzten Semesters aus Sicht des Seniors oder Fuchsmajors zusammen?“ Ich kann euch beruhigen: die kommen noch. Oder waren schon. Das entscheidet die Redaktion. (…)

Nachdem meine Corpsbrüder in Kiel einen verkaterten Sonntag für einen Serien-Marathon der neuen Serie „Füxe“ aus der ZDF Mediathek genutzt hatten, wurde ich entrüstet angerufen und dazu gedrängt mir nun auch diese schrecklichen knapp 180 Minuten einer Serie aus dem Korpo-Milieu in vier Folgen anzutun. Ich hatte also tierisch Lust auf diese Serie, aber wer kann einer TV Produktion zum Thema Studentenverbindungen schon widerstehen? Sie bietet wie erwartet viel Potenzial für Fremdscham und spontane Wutausbrüche aufgrund absurder Fehler bei der Darstellung von Verbindungen.

Aber beginnen wir erstmal mit der Rahmenhandlung. Im Mittelpunkt der Serie steht Adem Kameri. Er ist in Deutschland geboren, seine Eltern stammen aber aus dem Kosovo. Er will seine Eltern stolz machen und entscheidet sich daher für ein BWL-Studium. Er sucht WG Zimmer, wird aber abgelehnt. Aus Verzweiflung bewirbt er sich auf ein Zimmer beim Corps Gothia. Weil die aber alle Nazis seien, könne er da nicht hin, so hört er es von einer Bekannten. Daher ändert er seinen Namen, im Stile eines echten Geheimagenten, in Adam Kamer. Da kommt niemand drauf, auch die Uni nicht, an der er sich unter dem Namen einträgt. Klar. Überraschung: das Corps mit seinen 5 Aktiven nimmt ihn auf und es läuft gut. Die Aktiven freunden sich mit ihm an, es gibt Alkohol und Partys und ab und zu studiert er. Zumindest vermuten wir das, denn das Budget reichte nicht für einen Drehtag im Hörsaal. Eigentlich drehen sie fast ausschließlich auf dem Corpshaus. Aber bis auf den Teil mit dem falschen Namen kommt die Handlung eigentlich vermutlich vielen bekannt vor. Meistens dann, wenn man auf dem Stiftungsfest mal den Fuchs danach fragt, wie er eigentlich zu unserem schönen Corps gekommen ist. Die Story entwickelt sich und es geht primär um Adam. Er gerät in Konflikt mit sich selbst über seine Rollen als „Migrant“ und als Corpsstudent, dann kommen moralische Konflikte hinzu. In all diesem Gewirr versucht er sich zu behaupten und ist mal brennender Fuchs und mal ein hilfsbereiter junger Mann (Ja, diese beiden Rollen scheinen für ihn nicht miteinander vereinbar zu sein). Am Ende gibt es noch große Intrigen in der renovierungsbedürftigen Altbauvilla und insgesamt sehr viel Bier.

So viel zur Bildebene. Aber was passiert den auf der Sachebene? Gibt es eine Message gegen Verbindungen wie immer? Nein. Allerdings auch keine Lobhymnen auf Verbindungen. Die Serie wirkt, als hätte der Drehbuchautor ein verbindungs-kritisches Drehbuch geschrieben und dem ZDF ist eingefallen, dass ihre Zielgruppe aus einem nicht unerheblichen Teil Korporierter besteht. So wirkt die meiste Kritik irgendwie angebracht, doch wird sie nur leise vorgebracht und direkt im Anschluss wieder glattgebügelt. Wer kritisiert, wird schon in der nächsten Szene selbst zu einer kritisierbaren Person gemacht. Auch bei positiven Aspekten von Verbindungen fällt das auf. Es wird über die Tugenden des Corps gesprochen: Zusammenhalt, Freundschaft, Ehrlichkeit, allerdings immer mit einer Art Augenzwinkern, als sei das alles nicht wirklich ernst gemeint. Kaum hat man das Gefühl, dass dieses Corps eine Verbindung wäre, die man gern auf seine Bummel-Route legen oder seinem Neffen für das Studium ans Herz legen würde, entpuppen sie sich als Rassisten und Verschwörungstheoretiker. Nur um genau diese Denkweise dann sofort wieder einzustellen und sich wieder getreu der beschworenen Tugenden zu bemächtigen.
Bei der Message über Verbindungen kommt es also klar auf den Rezipienten an: Verbindungsstudenten können die Serie als eine Art lobende Hommage an den Zusammenhalt von Korporationen verstehen, Verbindungskritiker sehen in ihr die privilegierte, verkommene „Elite“ der Verbindungsstudenten. Und Unbedarfte können es sich aussuchen, welches Bild von Corps bzw. Verbindungen hier nun gezeichnet werden soll.

Der Grund, warum die Frage „Was soll uns das alles jetzt sagen?“ nicht klar beantwortet werden kann ist der gleiche Grund, warum diese Serie so stark kritisiert wird. Sie wirkt wie ein Jongleur, der in die Manege tritt und kunstvoll 20 Bälle in die Luft wirft, ohne selbst zu wissen, welche er wieder auffangen und weiter jonglieren wird. Denn sie beleuchtet immer wieder Teile einer Geschichte, die später nicht mehr relevant werden. Adam lügt bei der Einschreibung, ein Fehler, der ihn sein Studium kosten kann und der sofort auffliegt, sobald er irgendeine Bescheinigung abgeben muss. Das klingt doch nach einer Katastrophe des klassischen Dramas. Hätte sie auch sein können. Aber sie wird einfach nicht mehr erwähnt. Als hätte man nach drei Folgen gemerkt, dass das Budget aufgebraucht ist und man die Story jetzt in einer Folge abdrehen muss. Die Geschichte hat mehr Chaos als meine Texte. Den ersten musste ich nach einem einstündigen Telefonat mit einem lieben Corpsbruder verwerfen, da allein in diesem so viele neue Punkte aufgekommen sind, dass mein Text davor belanglos wirkte. Auch jetzt noch kommen mir beim Schreiben so viele Ideen, dass ich eine eigene Serie von Texten über die Serie „Füxe“ schreiben könnte, in der ich mich nur über einzelne Aspekte aufrege.

Kommen wir doch mal zu der Frage, die viele wohl brennend interessiert: „Ist das Corps Gothia denn wenigstens authentisch dargestellt?“ Nein. Wer hätte es gedacht… Aber sie versuchen es immer wieder und schaffen dabei mehr als viele andere Verfilmungen. Die Charaktere, wenn auch völlig überzeichnet durch billige Akzente, findet man so auch in anderen Verbindungen wieder. Die Requisiten sind gut, wenn auch oft schlecht eingesetzt. Das beste Beispiel sind dabei die unsäglichen Paukschläger in Mensurszenen. Die Paukszenen an sich sind wirklich jedem ans Herz zu legen, der schonmal dachte, seine Paukstunden wären mies gewesen. Denn während (Adam) Kamer auf das Phantom einhackt als hätten sie ihm befohlen einen Mannshohen Baumstumpf mit einer stumpfen Axt zu verkleinern, erhält er den sinnvollen Hinweis des Conseniors: „Mach es besser“. Wenigstens werden da auch mal Liegestütze gemacht. Eine Szene, die ich ausnahmsweise mal sehr authentisch finde, da mir die leidvolle Kraftübung mit schlechter Ausführung nur allzu bekannt vorkommt. Auch das Trinken und die Kneipkultur ist Fremdscham pur und sorgt dafür, dass wir empfehlen die Serie immer mal wieder zu pausieren, um beschämt und fluchend durch das Wohnzimmer zu rennen, da es sonst nicht auszuhalten ist. Da werden Füchse „in die Kanne“ geschickt, was dort wohl bedeutet, ein halbes Bier zu „exen“. Das Budget hat wohl nur für sechs 0,5l Gläser gereicht. Sobald die offiziellen Veranstaltungen los gehen, kommt man ohne großes Latinum und den Stowasser nicht weiter. Es wird herumlateinert wie in den schlimmsten Burschenschaften.

Auf der künstlerischen Ebene haben wir klassisches deutsches TV-Kino. Schauspieler, die für die Bühne gemacht sind und deshalb auch im Fernsehen spielen, dass man es in der letzten Reihe sieht. Man hätte die Serie auch aus 10 Metern Entfernung schauen können und hätte trotzdem alles perfekt verstanden. Das beste Beispiel ist der Senior, der durchgehend spricht, als würde er die Rede auf dem Stiftungsfest halten. Dabei versucht er wohl mit langen Pausen und gezielten Betonungen dem leeren Gerede Sinn einzuhauchen. Alles wirkt maßlos überzeichnet und am Ende doch völlig halbgar. Es ist absurd, wenn man darüber nachdenkt.

Jetzt habt ihr wirklich viel Text über euch ergehen lassen und ich will euch nicht weiter auf die Folter spannen, sodass ich nun zum Fazit komme: Für einen Abend mit Corpsbrüdern und Bier vor dem Fernseher ist die Serie perfekt. Wenn man nach einer entspannten Serie für den Abend auf dem Sofa mit der Gattin sucht, könnte es da schon eng werden. Das für mich einzig Positive an der Serie stellen die philosophischen Fragen der Serie nach Identität und Moral dar. Wenn man sich dieser gewahr wird und ansonsten Spaß an der schlechten Machart findet, kann einen die Serie über gute drei Stunden hinweg erfreuen, auch wenn man wirklich ab und zu pausieren sollte. Insgesamt aber hat die Serie einige Nette Aspekte zu bieten, die mir eine Bewertung schwer machen, weil sich diese nach reiflicher Reflexion immer wieder verändert. Ich hoffe, die nächste Korpo-Serie ist wieder einfach nur schlecht, damit ich mir bei der nächsten Kritik nicht so viel Gedanken machen muss.

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